So gelingt Freelancern die Vier-Tage-Woche
Einen Tag während der Woche mit der Familie, dem Haushalt, beim Sport oder einfach auf der Couch verbringen – wovon viele Angestellte träumen, steht Freelancern faktisch offen. Doch ist es wirklich so einfach, sich als Freelancer für eine Vier-Tage-Woche zu entscheiden?
Vier-Tage-Woche: Warum eigentlich?
Die Gründe dafür, sich nicht nur gelegentlich einen Tag Urlaub zu nehmen, sondern regulär eine Vier-Tage-Woche einzuführen, sind sehr unterschiedlich. Wir haben Solo-Selbstständige gefragt, worauf es ihnen ankommt. Andreas Schneider – Freelancer als Projekt Manager – führte 2018 den zusätzlichen freien Tag aus Gesundheitsgründen ein.
Für andere, wie den IT-Freelancer Jens Henneberg, war es schon immer eine Herausforderung, seine vielen Interessen mit einem klassischen Arbeitszeitmodell zu vereinbaren – weshalb er sich letztendlich dazu entschloss, diesen durch einen Tag weniger Arbeit mehr Raum zu geben. Beide betonen allerdings, dass hiermit auch zusätzlicher organisatorischer Mehraufwand einhergeht.
Evolution des Freelancing: Mit wachsender Expertise steigt die Arbeitszeit
Solo-Selbstständige arbeiten laut Freelancer-Kompass 2023 im Durchschnitt 41 Stunden pro Woche. Entgegen der allgemeinen Annahme steigt diese Zahl sogar mit zunehmender Arbeitserfahrung: Während Young Professionals mit unter fünf Jahren Berufserfahrung 35 Stunden pro Woche arbeiten, sind es bei Senior Experts mit über zehn Jahren Berufspraxis schon 42 Stunden. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass besonders Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen noch ihren persönlichen Rhythmus finden müssen: Wie kann Erschöpfung vermieden, zugleich Produktivität erhalten und dabei möglichst kreativ gearbeitet werden?
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Viele integrieren im Zuge von New Work flexibles Arbeiten in ihren Alltag. Für manche heißt das, ihre Arbeitszeit auf 6 Stunden pro Tag zu reduzieren, sich einen freien Nachmittag fest einzuplanen oder eben ihre Aufgaben innerhalb einer Vier-Tage-Woche zu erledigen. Damit hierfür jedoch von Beginn an die nötigen Weichen gestellt sind, müssen Freelancer sich am besten schon vor der Umstellung einige Dinge ganz besonders bewusst machen.
Finanzplanung: Bruttoeinkommen anpassen – mit 42 Prozent höherem Stundensatz
Am häufigsten wird in Stunden- oder Tagessätzen abgerechnet. Das bedeutet, dass bereits ein Tag weniger Arbeit ganz schön ins Gewicht fallen kann. Freelancer sollten sich daher bereits im Vorhinein darüber im Klaren sein, wie viele finanzielle Abstriche sie bereit sind im Ernstfall zu machen.
Laut unserer Berechnung müssen Solo-Selbstständige in Deutschland ihren festgesetzten Stundensatz um ganze 42 Prozent erhöhen, um bei einer Vier-Tage-Woche auf das gleiche Bruttoeinkommen zu kommen wie mit einer durchschnittlichen Vollzeittätigkeit. Ein Beispiel: Belief sich der Stundensatz bei einer 41-Stunden-Woche zuvor auf 99,15 Euro, müsste dieser bei einer Vier-Tage-Woche à 32 Stunden auf 141,10 Euro erhöht werden.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass das durchschnittliche Einkommen – und damit die steuerlichen Abzüge – zwischen den verschiedenen Freelancing-Berufen stark variieren. Laut Freelancer-Kompass erhält beispielsweise ein SAP-Berater in Deutschland 115 Euro pro Stunde, während Freelancer im Medienbereich durchschnittlich 73 Euro verdienen.
Erhöhung des Stundensatzes um 42 Prozent: Ist das möglich?
Laut der Befragten ist eine Anhebung dieses Stundensatzes dank der gesteigerten Produktivität durch die Vier-Tage-Woche jedoch durchaus gerechtfertigt. Jens Henneberg erklärt zu seiner Umstellung auf eine Vier-Tage-Woche:
Nach jedem Projekt konnte ich meinen Stundensatz erhöhen. Daher haben sich die finanziellen Abstriche in Grenzen gehalten.
An das monatliche Bruttoeinkommen sowie die individuelle Lebenssituation ist außerdem die Steuerklasse geknüpft, welche eine wichtige Rolle bei der Stundensatz-Berechnung spielt: Je geringer die individuell festgesetzten Abzüge ausfallen, desto kleiner ist auch der Vorher-Nachher-Unterschied bei den erwirtschafteten Nettoeinnahmen.
Andreas Schneider hat zuvor beschriebene finanzielle Abstriche in Kauf genommen. In seinem Fall seien die wirtschaftlichen Einbußen quasi inexistent gewesen, „da Mindereinnahmen durch weniger Steuern kompensiert werden.”
Wer also generell weniger Steuern zahlt, kann auch dadurch die wegfallenden Einnahmen ausgleichen. Für alle anderen ist es ratsam, ihren Stundensatz zu erhöhen – idealerweise um 42 Prozent. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Projekte in kürzerer Zeit fertiggestellt werden. Hier stehen Freelancer vor der nächsten Herausforderung.
Zeitmanagement: Prioritäten setzen und Prozesse automatisieren
Gute Leistung ist nicht von der Arbeitszeit abhängig, sondern von der eigenen Produktivität und Kreativität.
Durch den freien Tag kann ich meine Zeit viel besser einteilen und öfter mal kleine Entspannungstätigkeiten einfügen. Das führt sofort zu mehr Effektivität. Also arbeite ich an vier Tagen viel zielgerichteter, als wenn ich fünf Tage arbeiten würde.
Andreas Schneider, Freelancer mit Vier-Tage-Woche
Zahlreiche Studien unterstützen dies: Forschung zum Thema legt nahe, dass sich eine Vier-Tage-Woche positiv auf Stresslevel, Gesundheit und allgemeine Lebenszufriedenheit auswirkt – und dadurch auch auf die Leistungsfähigkeit. Während derartige Studien nahezu immer Festangestellte in den Fokus rücken, lohnt in diesem Kontext auch ein Blick auf die Freelancer: Trotz ihres Mehraufwandes an Eigendisziplin, Organisation und Administration bleiben die Effekte erfahrungsgemäß dieselben. Auch sie arbeiten produktiver mit der Einführung des alternativen Arbeitszeitmodells.
Die Hauptaufgabe für Freelancer liegt dabei in ihrem Zeitmanagement. Jens Henneberg erinnert sich: „Die größte Herausforderung war es, meine Arbeitsweise zu optimieren.“ Was ihm dabei geholfen hat? „Ich habe fast alles durch KI und RPA1 automatisiert und nutze Tools wie XenoGuard, um auf Mails zu antworten.“ Egal, ob durch KI unterstützt oder „traditionell“ organisiert: Was in jedem Fall wichtig ist, ist eine klare Prioritätensetzung.
Eine gut strukturierte Aufgabenliste hilft, während der Arbeitsphasen keine Zeit mit der Planung zu verlieren und stattdessen zielgerichtet zu arbeiten.
Ausgleich zur Arbeit finden – auch in der Vier-Tage-Woche
Auch „Downtime“ wie Mittagspausen, Spaziergänge oder, wie beispielsweise Jens Henneberg, Zeit für das eigene Fitnessregime fest einzuplanen, ist essenziell, um die eigene Produktivität den Tag über zu wahren und persönliche Grenzen zu setzen. Hierdurch entstehen allerdings auch Zeiten, in denen die Freelancer nicht für ihre Kunden verfügbar sind.
Umgang mit Kunden: Klare Kommunikation schafft Verständnis
Damit die Zusammenarbeit mit Auftraggebern und Auftraggeberinnen nicht unter dem eigenen Zeitplan leidet, ist beim Umsetzen einer Vier-Tage-Woche eine klare Kommunikation von Beginn an essenziell. „Nicht gerechnet habe ich mit der Akzeptanz zumindest meiner bisherigen Kunden und Kundinnen, dass ich oft (aber immer angekündigt) früher weg war“, erzählt Jens Henneberg. Er fährt fort: „Dafür habe ich in der Zeit, in der ich präsent war, auch minutengenau abgerechnet und richtig Gas gegeben.“ Durch eine Vier-Tage-Woche entstandene Fehlzeiten können also in der Regel durch gesteigerte Produktivität gut ausgeglichen werden.
Fazit: „Machen! Einfach machen!“
Die Gründe, eine Vier-Tage-Woche beginnen zu wollen, sind vielfältig. Das alternative Arbeitszeitmodell verspricht mehr Raum für Hobbys und Interessen oder die eigene Gesundheit sowie für Fortbildungen, durch die Freelancer technologisch auf dem neuesten Stand bleiben können. Die größten Herausforderungen zu Beginn einer Vier-Tage-Woche liegen darin, die eigenen Finanzen gut zu planen, das Zeitmanagement im Blick zu behalten und die eigene zeitliche Verfügbarkeit klar zu kommunizieren.
Um bei einer 32-Stunden-Woche das gleiche Einkommen zu erreichen, müssen Freelancer ihren Stundensatz idealerweise um ganze 42 Prozent erhöhen. Dies ist durch gesteigerte Produktivität allerdings gerechtfertigt – unter der Voraussetzung, dass die eigene Verfügbarkeit klar abgesteckt ist und auch so kommuniziert wird.
Einen letzten Tipp hat Andreas Schneider noch für alle, die mit dem Gedanken spielen, eine Vier-Tage-Woche umzusetzen: „Machen! Einfach machen!“